Warum man auf kununu & Co. nicht nicht kommunizieren kann
Beim Online-Shopping und beim Online-Booking ist es schon längst Alltag, beim Online-Recruiting wird es zum Alltag werden: die User-Bewertung als erste Navigationshilfe fürs eigene Interesse. Deshalb taucht bei unseren Vorgesprächen zu Employer Branding-Projekten regelmäßig die Frage auf: „Was haltet Ihr von kununu & Co., wie müssen wir reagieren, was haben wir künftig zu erwarten?“. Unhöflich, aber zielführend – wir beantworten die Frage mit Gegenfragen: nach der Existenz eines „Wertekanons“ oder eines Leitbildes und nach dem Alltagsbezug dieser Instrumente. Wir hinterfragen Kommunikationsstrukturen und bohren nach Belegen für wertschätzende Führung und Förderung: „Lebt Ihre Organisation eigentlich das, was an schönen Dingen vom Management skizziert und dann nach Außen kommuniziert wird? Do they really walk, what they talk?“
Bewertungsportale? Unwichtig war gestern!
Wofür wir stehen, was wir bieten: im Web, auf den Karriereseiten ist doch alles nachlesbar – zumindest in Auszügen. Aber Kommunikation ist all das, was ankommt. Und mittlerweile kommt noch sehr, sehr viel mehr an. Denn nicht nur der Arbeitgeber, nein auch der Arbeitnehmer selbst wird zur Info-Drehscheibe. Er kommuniziert über seine Arbeitgeber: die ehemaligen, den aktuellen und auch die potentiellen, die er als Bewerber jüngst besucht und erlebt hat. Er kommuniziert dort, wo es die höchste Relevanz hat, denn er sucht ja selbst nach relevanten Informationen für seine berufliche Zukunft.
Dafür hat er mittlerweile eine Fülle von Möglichkeiten. Neben den bekannten „Klagemauern” (kununu, glassdoor) etablieren nun die Jobbörsen ihre Bewertungsportale. Auf Stepstone und indeed stehen, in direkter Nachbarschaft zu den ausgeschriebenen Arbeitsplätzen, nun die Kommentare zum Arbeitgeber. Mehr Relevanz geht nicht! Auch die Akzeptanz dieser Angebote wächst in Riesenschritten: siehe Bitkom-Studie unten
Fast die Hälfte alle Bewerber informiert sich vorab in Bewertungsportalen, und die überdeutliche Mehrheit orientiert sich im Anschluss an den Bewertungen. Diese Entwicklung dürfte sich noch dynamisch verstärken, denn der Company Hub von Stepstone, die Bewertungsplattform von indeed stehen erst am Anfang und die konkurrierenden Stellenbörsen sicher schon mit ähnlichen Produkten in den Startlöchern.
HR muss sich stellen.
In der Vergangenheit wurde gerade kununu gerne abgetan als Treffpunkt der „Frustrierten und Abgelehnten“. Wir sind uns sicher einig: das gehört nun wirklich der Vergangenheit an. Die Mehrheit der Kommentare sind echte, substantielle Bewertungen mit ausgesprochen konstruktiven Erläuterungen und Quervergleichen. Im Positiven wie im Negativen. Deshalb wäre, wie auch eine aktuelle softgarden-Studie ausweist, die schlimmste Reaktion: keine Reaktion.
Alle anderen Antwortoptionen hatten mit deutlichem Abstand weniger Ärger bei den Befragten ausgelöst. Abgesehen davon, dass diese Leser doch i.d.R. potentielle Bewerber sind und bei arbeitgeberkritischen Kommentaren somit ein berechtigtes Interesse an Gegendarstellungen und Erläuterungen haben, gilt außerdem: Schweigen ist Zustimmung. Woher soll der geneigte Kandidat wissen, dass eine kununu-Kommentierung nicht der Realität entspricht, sich überholt oder zumindest eine Reaktion ausgelöst hat? Zumal sich der Verfasser eindeutig als Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter im Range eines Experten präsentiert. Liebe Personaler: wegducken geht nicht mehr. Durchlaufen lassen heißt, potentielle Bewerber direkt an der Tür abzuweisen.
Selbst wenn auf den eigenen Webseiten das Gegenteil gesagt/gezeigt wird: die Diskrepanz zwischen der geschliffen formulierten Kultur des Arbeitgebers und der faktisch dokumentierten Realität durch den (Ex-) Arbeitnehmer sät Zweifel beim interessierten Leser, dem potentiellen Bewerber. Deshalb erspart er sich das weitere Procedere und bewirbt sich dort, wo Fremd- und Eigenbild des Arbeit-gebers schlüssiger zusammenpassen. Kurz: er entscheidet er sich zwar für den Job, aber für einen anderen Arbeitgeber. Die Bewertungsportale haben dafür die Bühne angeboten.
Deshalb: Kritik ist Chance & Verpflichtung gleichermaßen
Im Umgang mit den Bewertungsportalen gilt das Gleiche, was der erfahrene Personaler bezüglich der Feedbackkultur im eigenen Unternehmen postuliert: konstruktive Kritik ist die Gelegenheit, eigene Schwächen zu erkennen und an ihnen zu arbeiten. Wer dies nicht hören und auch nicht reagieren mag, hat aufgehört, sich zu verbessern. Warum sollten sich ambitionierte Bewerber für einen Arbeit-geber entscheiden, der auf taubstumm gestellt und damit deutliches Desinteresse gegenüber Arbeitnehmern signalisiert hat?
Im Umkehrschluss bedeuten die Bewertungsportale für den Personaler:
Wer Jobs ausschreiben und Mitarbeiter einstellen soll, hat geradezu eine Verpflichtung, in den Portalen präsent zu sein,
auf Kommentare zu reagieren und proaktiv zu kommunizieren.
Die Zukunft: Ohne Bewertung keine Bewerbung.
Wie eingangs formuliert: die Kundenerkenntnisse und Besuchererlebnisse sind ein „starker Magnet“ für das Online-Booking und das online-Shopping. Deshalb wird dies in vergleichbarer Form auch
beim Online-Recruiting zum Alltag werden: User-Bewertungen als Navigations- und Entscheidungs-
hilfe für weitere Interessenten. Die meisten von uns recherchieren entlang vorhandener Wertungen,
wir orientieren unsere Auswahl gerne entlang der konkreten Erfahrung anderer User. Der Nutzen wächst mit der Zahl der Bewertungen. Deshalb teilen immer mehr User ihre Erfahrungen, stiften Orientierung durch ihre eigenen Bewertungen. Wer jedoch als „Anbieter“ (in unserem Thema als „Arbeitsplatzanbieter“) keine Bewertung hat, wird offensichtlich nicht gesucht. Hat im Markt keinen Eindruck hinterlassen, keine Nachfrage erzeugt.
Gewissensfrage: Wenn ein HRS-Hotel keine Bewertung hat – welches Bild vom Frühstücksbüffett, vom Bad und vom Bett des Zimmers, von der Lage des Hotels habe ich in meinem Kopf?
Wenn ein zalando-Schuh keine Bewertung hat – würde ich dann gar einen Ladenhüter kaufen? Oder, auf unser Thema übertragen: würde ich meine berufliche Zukunft völlig vertrauensselig im „Niemandsland“ suchen?“
Wer als Anbieter von Arbeitsplätzen skeptisch oder kritisch bewertet wird, wird wenigstens besucht. Vor allem: er hat die Chance, konkret auf sich aufmerksam zu machen, sich zu verbessern. Denn seine Mitarbeiter, und damit wären wir schon bei der positiven Konsequenz von gelebter Feedbackkultur, würden Verbesserungen gerne zum Anlass zu nehmen, um eben diese positive Entwicklung zu kommunizieren.
Wer als Arbeitgeber wenig oder keinen Anlass zur kritischen Bewertung gibt, jedoch den Aufwand in die Eigendarstellung auf diesen Portalen hinterfragt – dem ist ganz einfach zu sagen: „Du tust doch Gutes, also rede darüber!“ Beziehungsweise lasse Deine zufriedenen Mitarbeiter reden. Und schon klappt das auch mit den Bewerbungen. Wenn Du dann Deine Bewerber gut behandelst (rasch, offen, wertschätzend reagierst), bewerten auch die Dich gut. Und gute Bewertungen führen zu guten Bewerbungen. Und so weiter und so fort….
Fazit: Auf kununu & Co kann man nicht „nicht kommunizieren“ – aber man kann durch Untätigkeit viel verlieren. Dann sollte man sich aber auch über ausbleibende Kandidaten nicht beschweren.